Hallo zusammen,
bin im www auf folgenden Artikel gestoßen. Die Geschichte ist von Andy aus Mittelholstein. Sie unterliegt keinem Urheberrecht und kann weiter verbreitet werden. Ich denke es ist im Sinne des Autors, wenn ich diese Geschichte hier veröffentliche. Einfach herrlich geschrieben und passt hier rein. Sie regt auch so einen Kochtopfangler wie mich zum Überlegen an, aber nun viel Spaß...
Aus dem Leben eines Zanders
Von Geburt und Wiedergeburt
Da es nun an der Zeit ist langsam dem großen
Zander zu besuchen und den täglichen Kampf
gegen ein beschauliches Dasein im Zanderhimmel
zu tauschen, möchte ich nicht gehen ohne den
Kameraden und auch den Anglern unter euch
aus meinem Leben zu erzählen.
Vor fast 20 Jahren legten meine stattlichen
Eltern ihre Eier unter einen alten Tannenbaum
im Dradenau Hafen. Vater hatte dort im beinahe
flachen Wasser über dem hellen Sandgrund diesen
Platz gefunden und ihn gegen viele seiner
Artgenossen und auch einen großen Hecht verteidigt.
Doch das ist eine andere Geschichte. Mein Vater war
nicht gerade ein kleiner Vertreter seiner Rasse.
Beinahe 100cm würde er nach Menschenmaß als
Kapitaler bezeichnet werden. Auch Mutter maß gut
90cm.
Nachdem Vater die Laichgrube geschaffen hatte legte
Mutter die Eier, also uns hinein und Vater befruchtete
uns. Da seine Gene stark waren und auch die von
Mutter, wuchsen relativ schnell eine große zahl von
starken kleinen Zandern heran, die schon bald einige
Abenteuer bestehen sollten.
Vater bewachte in den ersten Tagen Nest und das
wurde ihm dann auch zum Verhängnis. Trotzte er
Hecht, Kormoran und so manchem Aal wie auch
unzähligen Krabben, so kam doch eines Tages der
Gegner, den er nicht mehr besiegen konnte.
Als ein bedrohlich aussehender Plötzlich aus dem
Nichts im Wasser nahe dem Nest auftauchte und
zielstrebig gen Grund strebte, packte Vater diesen
und versuchte so die Gefahr von uns abzuwehren.
Doch als er gerade den Fisch gepackt hatte spürte
er wie ein Ruck eben durch diesen ging und etwas
Spitzes sich in seinen Kiefer bohrte. Vater wehrte
sich verzweifelt. Zunächst stellte er sich tot am
Grund und versuchte so den möglichen Angriff
abzuwehren. In seiner langen zeit als Elbfisch war
er noch nicht in eine solche Situation gekommen
und so verließ er sich auf seine Instinkte und den
Berichten anderer, die so etwas überlebt hatten.
Nicht dass es ihm schmerzte, nur hielt ihn etwas
fest, so dass er nur in die entgegengesetzte Richtung
zu flüchten vermochte. Ihr müsst wissen, das zu
Vaters Zeiten noch nicht in den Zanderschulen von
den Anglern berichtet wurde und wie man ihren
Attacken entgehen könnte.
Lediglich vor den Netzen der Fischer wurde man
gewarnt.
Vater quittierte die Versuche des Wesens jenseits der
Schnur, an der er festgehalten wurde, ihn an Land zu
ziehen durch wütendes Kopfschütteln. So hielt er eine
Weile aus, verlor am immer mehr mit nachlassender
Kraft an Boden.
Verzweifelt versuchte er ein Hindernis zu finden, dass
ihm ermöglichte den Widerstand zu erhöhen. Aber
diese Überlegung kam zu spät. Dort wäre eine
gespannte Stahltrosse zu erreichen gewesen. Aber der
kräftige Zug und die andauernde Gegenwehr durch ihn,
hatten ihre Spuren hinterlassen.
Seine Kräfte schwanden und damit auch die Möglichkeit
das rettende Stahlseil zu erreichen.
Vater sah noch einmal zurück und stellte mit einer
gewissen Erleichterung fest, dass noch genügend
andere Bullen auch seine Aufgabe für den Schutz der
Kinderstube übernehmen würden.
Mehr und mehr schwanden ihm die sonst so scheinbar
unermüdlichen Kräfte. Wie oft hatte er in schwierigen
Situationen sich immer auf sie verlassen können. Doch
dieser Gegner schien übermächtig. Wir sahen entsetzt
tatenlos zu, denn wir konnte nichts mehr für ihn tun.
Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte der diesen
Faden, der zwischen seinen Kiefern den Haken hielt zu
durchbeißen. Doch selbst die messerscharfen
Hundszähne die selbst die größten Hechte in die Flucht
geschlagen hatten, versagten an diesem Material.
So sehr er auf kämpfte und immer mehr an Kraft verlor,
so geringer wurden doch seine Hoffnungen sich befreien
zu können.
Ein letztes Mal sah er zurück. Fast schien sein Blick
friedlich und zufrieden. Gar nicht so traurig und
verzweifelt, wie es der Meinige, in diesem Augenblick
wohl gewesen sein mochte.
Dann war er bereits an der Wasseroberfläche, die er in
unsere Richtung nicht mehr durchbrechen sollte.
Ein Schatten oben nahe der Steinpackung an der die
Großen so gerne entlang jagten zerrte ihn unaufhörlich
zu sich heran. Wir hörten dumpf seine Jubelschreie, als
Vater zu ersten Mal für ihn sichtbar aus dem Wasser
auftauchte.
Ich wollte nicht mehr hinsehen und schwamm in
entgegengesetzte Richtung davon. Ach wäre ich doch
nur schon größer gewesen……..ja zu zweit hätten wir es
bestimmt geschafft…..bestimmt…..geschafft……ganz
bestimmt dachte ich so immer an diesem Moment
erinnert in den nächsten Jahren……….
Vater schlug ein letztes Mal wie wild mit dem Kopf, doch
dann war dort ein Netz und ………und alles ging doch so
schnell………halt!....nein……noch nicht bitte…….vorbei.
Freudentänze des Schattens begleitet von aufgeregten
Rufen…..weitere Schatten dann ein oder waren es zwei
dumpfe Schläge und kurz danach quoll bereits das Blut
in das Wasser.
Das Blut meines Vaters lief aus seinem Herzen über die
feuchten Steine in einem kleinen Rinnsal ins Wasser und
vermischten sich dort mit unserem Lebenselixier und
wurde dann doch zu einem mit allem hier……….
Ihr denkt nun sicherlich, dass der Lauf der Dinge wäre
und mit Verlaub sind wir auch unter dem Wasser am
Ende der Nahrungskette. Das ist richtig. Aber so
trauern wir doch, um jeden der unseren. Hier war es gar
mein Erzeuger. Mein Vater der stattliche Zander, dessen
Bild wohl der Schatten mit Freuden all seinen Freunden
zeigte, wie man mir später erklärte.
Er wurde verspeist, wie wir es auch mit unserer Nahrung
tun und doch hatte er lange Jahre hier geherrscht.
Sogar von Menschenhand war er einmal aufgezogen
worden. Wo dann auch sein Ende in Frieden finden sollte.
Der Schatten war ihm gnädig und bescherte ihn voller
Respekt einen schnelle Tot. Ja sogar mit Respekt und
einen Schuß Ehrfurcht behandelte der den Körper meines
Vaters, als er ihn für das Foto mit seinen Händen erhob.
Von Blut hatte er ihn gesäubert. So dass man noch ein
letztes Mal diesen stattlichen Zander sehen konnte. Der
Schatten war überglücklich während ich in tiefer Trauer
mich grämte, bis ich meine Mutter durch Zufall wieder
sah, ihr berichtete und sie mich tröstete.
Ein solches Schicksal wurde mir erzählt, blieb ihr erspart.
Sie starb im einem würdigen Alter, weil einfach ihr Herz
irgendeines Tages aufhörte zu schlagen. Sie glitt zu
Boden, wo sie einigen anderen Kreaturen als Nahrung
diente.
So wünschte ich auch einmal dem großen Zander
entgegen zu treten.
Bis heute nach beinahe 20 Jahren unter Wasser war es
doch ein schier endlose lange Reise.
Bis kurz vor den Moment, ja den Augenblick, wo ich an
den Ort meiner Geburt zurück gekehrt bin.
Nicht das ich mich zu schwach fühlte, aber ein
merkwürdiger Moment der Neugierde und auch Sehnsucht
trieb mich hierher. Vielleicht ließ mich das Erlebnis alle die
Jahre auch nicht los. Vielleicht wollte ich beweisen,
meines Vaters würdig zu sein.
Dann sah ich die Schatten.
Sie warfen alle diese komischen Fische in das Wasser.
Einige hatten gerade zu lächerlich Farben oder groteske
Formen. Selbst an unseren Geschmackssinn wollte man
mit Hilfe merkwürdiger Gerüche appellieren.
Ich wusste nur zu gut um die Gefahr. Doch dann plötzlich
sah ich etwas, was mich faszinierte. Meinen Blick
fesselte. Lange, ganz lange hatte ich so etwas nicht
mehr gesehen.
Der merkwürdige Fische, der meinem Vater zum
Verhängnis wurde.
Ich taxierte ihn, überlegte einen Moment und griff dann
wie aus einem Impuls heraus, dessen Ursprung ich nicht
ergründen konnte, an.
Ich hing fest.
Ich kämpfte mit allen Tricks, die man mich gelehrt hatte.
Es war nicht das erste mal, dass ich entkommen konnte.
Doch hier hatte ich wohl meinen Meister gefunden.
Nach schier endloser Zeit merkte ich jedoch, dass auch
mein gegenüber die Kräfte schwanden.
Wir beide kämpften nun beinahe auf Augenhöhe. Ich sah
plötzlich nicht den Schatten, sondern eine Erscheinung,
der augenscheinlich der lange Kampf ebenfalls zu schaffen
machte.
Ich war einen Augenblick durch meine Gedanken
unaufmerksam, als ich das Netz erfasste.
Ich wurde aus dem Wasser gehoben. Bog mich, Schlug mit
der Schwanzflosse, schüttelte mich und es half doch
nichts. Im dem Schrecken merkte ich nicht einmal, dass ich
gar nicht atmen konnte.
Ich bekam Panik. Dieser Mensch hob mich vorsichtig vom
Boden auf und befreite mich mit einem geschickten Griff
von diesem Haken. Ich wartete auf den Schlag…….doch
nichts dergleichen geschah……..
Er sah mich nachdenklich an und sagte dass ich ein
verdammtes Prachtexemplar wäre, sein bisher schönster
Fang. Beinahe so groß, wie damals and er gleichen Stelle,
als er den Meter durchbrach.
Und dann sagte er etwas wovon ich euch jetzt berichten
kann. Er sagte, dass er Petrus etwas schuldig sei.
In all den Jahren war er immer etwas schuldig geblieben
und nun wo er alt sei und seine Frau schon einige Zeit nicht
mehr auf ihn zu hause warten würde, da war ich doch eh
viel zu groß.
Einige Junge Kerle um ihn herum begannen schnell Fotos zu
machen und redeten aufgeregt umher.
Doch der alte Mann ließ sich nicht beirren. Und balancierte
gekonnt die zwei Schritte Wasser zurück, wo er mich
langsam und sehr behutsam wieder in das Wasser zurück
tauchte.
Ich verstand nicht recht.
Ich war wieder im Wasser, obwohl ich doch den Kampf
verloren hatte. Wieso tötete er mich nicht.
Mit ein paar Flossenschlägen bewegte ich mich ins tiefere
Wasser, wo ich mein Glück kaum fassen konnte, als das
herrliche Gefühl der Wasser durchflossenen Kiemen in mir
wieder ungeahnte Lebensgeister weckte.
Ich war frei und blickte dankbar zurück.
Auch das Gesicht da über dem Wasser drückte Zufrieden
und Dankbarkeit aus. Ich verstand.
Der alte Mann schien sehr glücklich zu sein. Beinahe
glücklicher wie ich es mir in diesem Augenblick vorkam.
Einige der anderen Schatten entfernten sich kopfschüttelnd
und wohl diskutierend, wie ihr Menschen das nennen würdet.
Noch einige Monate kam ich immer wieder zurück und
beobachtete den Mann, der auch lächelte wenn es stürmte
und regnete. Es schien ihm nichts auszumachen, wenn er
keinen von uns an den Haken bekam.
Und war es so, dann setzte er den Unglücklichen wieder
zurück. Beinahe so sanft, wie ich es empfunden hatte.
Dann eines Tages merkte ich, wie es ihm immer schwerer fiel
bis an das Wasser zu klettern.
Mein Freund konnte auch nicht mehr angeln. Er blickte auf
das Wasser und beinahe schein es mir, als sähe er mich dort
stehen und wieder kam dieses zufriedene Lächeln über sein
Gesicht.
Er kam immer unregelmäßiger und musste sogar die letzten
Male die Hilfe anderer in Anspruch nehmen. Bis er ein letztes
Mal kam. Die Hand zu Gruß hob und ich wusste in diesem
Augenblick, dass es ein Abschied für immer werden würde.
So oft ich nach ihm schaute, sah ich ihn dort nie wieder. Ich
verstand, dass auch seine Zeit gekommen war.
Ich wünschte ihm Frieden und vielleicht einen Ort, an dem er
ewig weiter fischen kann.
Leb wohl alter Mann, der du mir zum Freunde wurdest und ich
dir für den gnädigen Tot meines Vaters danken möchte.
Ach wären doch alle so oder beinahe so wie er.
Ich kann euch nur davon berichten, weil er so großzügig war.
Ihr Menschen solltet einmal darüber nachdenken, ob euch
dieser Großmut nicht auch von Fall zu Fall zugestehen würde.
Ein anderes Mal berichte ich gerne weiter aus meinem Leben
als Vagabund der Elbe. Doch für heute wünsche ich mir nichts
mehr, wie mehr von diesen Menschen.
Für heute bin ich zu Müde, um euch weiter zu berichten.
Euer Freund unter Wasser.